Wir alle erfahren Gefühle. Sie schenken uns Lebendigkeit, Orientierung und Sinn.
Darin, wie wir Gefühle erleben, können wir uns sehr unterscheiden.
Wir haben unterschiedlich gelernt, mit unseren Gefühlen in Kontakt zu sein, unterschiedliche Erfahrungen gemacht, befinden uns in unterschiedlichen Lebensumständen und haben unterschiedliche Strategien erlernt oder zur Verfügung, um Gefühle zu erleben oder zu vermeiden.
Wenn ich unter meinen Gefühlen leide oder mich unlebendig fühle, bin ich mit großer Wahrscheinlichkeit nicht bewusst mit meinen Gefühlen in Kontakt. Manchmal erfahre ich das erst, wenn es in meinem Leben nicht so läuft, wie ich es mir vorstelle und bisher erfolgreiche Strategien, Gefühle zu erleben oder zu vermeiden, nicht mehr funktionieren. Oder wenn es so läuft, wie ich mir das vorstelle und ich die Erfahrung mache, dass ich trotzdem unlebendig oder unglücklich bin.
Mit bewusstem Fühlen ist verbunden, dass ich
- meine Gefühle benennen kann (Freude, Traurigkeit, Angst, Wut, …)
- Verantwortung für meine Gefühle übernehme
- zwischen meinen (Gefühls-)Gedanken und meinen Gefühlen unterscheiden kann
- mit meiner Aufmerksamkeit annehmend bei meinen Gefühlen sein kann und mich nicht in meinen (Gefühls-)Gedanken verliere und meine Gefühle dadurch immer weiter verstärke oder verdränge
- die zu meinen Gefühlen gehörenden Empfindungen in meinem Körper annehmend spüren kann und dadurch in mir einen sicheren, haltgebenden Raum schaffe
- meine Gefühle nicht kontrolliere oder unkontrolliert ausagiere, sondern lebendig und gleichzeitig bewusst handle
- nicht unter meinen Gefühlen leide
- meiner Mitwelt empathisch begegnen und Raum für Gefühle schaffen und ihnen mit Mitgefühl begegnen kann, statt mit Mitleid oder darunter zu leiden
- annehmen kann, dass mir all das nicht immer so gelingt, wie ich mir das wünsche
- mir mit Annahme und Selbst-Mitgefühl begegne, auch darin, dass mir das gerade nicht gelingt
Je nachdem, mit welchem Hintergrund ich lernen möchte, bewusst und annehmend mit meinen Gefühlen in Kontakt zu sein, kann es für mich wichtig sein
- anzunehmen, wie ich bisher mit meinen Gefühlen in Kontakt war, wie mir das gedient hat und welche Bedürfnisse dadurch erfüllt und welche nicht erfüllt wurden
- zu lernen meine Gefühle zu benennen (Freude, Traurigkeit, Angst, Wut, …)
- ihre Funktion zu erkennen (sie sind Signale für meine Bedürfnisse, schenken mir dadurch Orientierung und Sinn und lassen mich meine Lebendigkeit erfahren)
- meine Gefühle überhaupt innerlich da sein zu lassen
- meine Gefühle äußerlich da sein zu lassen, sie sprachlich zu teilen, zu zeigen und auszudrücken
- Verantwortung für meine Gefühle zu übernehmen
- die Verantwortung für die Gefühle anderer bei ihnen zu lassen
- Rücksicht auf meine Gefühle zu nehmen
- Rücksicht auf die Gefühle anderer zu nehmen
- Strategien zu finden, die mir helfen, mit auftauchenden Gefühlen in Kontakt zu sein oder sie für den Moment zurückzustellen
- in einen inneren Dialog zu treten, meine Gefühle zu fragen, was sie von mir brauchen und ihnen erlauben, da zu sein
- einen sicheren, geborgenen äußeren Raum zu schaffen, in dem ich mit meinen Gefühlen in Kontakt sein und sie zeigen kann
- mich mit meinem Körper vertraut zu machen und ihn zu bewohnen, einen sicheren, geborgenen Raum in mir zu schaffen, in dem ich gefahrlos mit meinen Gefühlen und Körperempfindungen in Kontakt sein kann
- langsam mit meinen Gefühlen in Kontakt zu kommen, Schritt für Schritt Vertrauen in mich, sie und meine Beziehung mit ihnen zu gewinnen
- zu lernen, wie ich bewusst entscheiden kann, wie ich mit meinen Gefühlen gerade in Kontakt sein möchte
- die zugehörigen Körperempfindungen annehmend zu spüren
- die Gefühlsenergien selbst annehmend zu fühlen
- auch die Gefühls-Gedanken da sein zu lassen
- zwischen Gefühlen und Gefühls-Gedanken unterscheiden zu lernen und damit vertraut zu werden, wie sie sich gegenseitig beeinflussen
- zu lernen, mit meiner Aufmerksamkeit bei meinen Gefühlen und Körperempfindungen zu bleiben, statt bei meinen (Gefühls-)Gedanken
- Gefühle nicht nur da sein zu lassen und auszudrücken, sondern das auch auf eine bewusste Weise zu tun
- Situationen, die für mich bisher mit unangenehmen Gefühlen verbunden waren, nicht zu vermeiden
- Situationen zu vermeiden, in denen ich bisher nicht genügend auf meine Gefühle und Bedürfnisse geachtet habe
- Handlungen nicht zu unterdrücken, weil ich Angst vor Gefühlen habe (solange ich mir oder anderen dadurch nicht schade)
- Handlungen nicht auszuführen, wenn ich dadurch Gefühle vermeiden oder mich nur kurzfristig entladen will (besonders wenn das meine üblichen Strategien sind und ich mir oder anderen dadurch kurz- oder langfristig schade)
- Auf eine Weise mit meinen Gefühlen in Kontakt zu sein, die es mir erlaubt auch den Gefühlen meines Gegenübers Raum zu geben und ihnen bewusst und annehmend zu begegnen
Neben eigenem Erforschen sind Einflüsse dafür, was ich theoretisch und praktisch unter bewusstem Fühlen verstehe oder wo ich Gemeinsamkeiten damit finde:
Gewaltfreie Kommunikation nach Dr. Marshall R. Rosenberg, Achtsamkeit, MBSR (Mindfulness Based Stress Reduction) nach Dr. John Kabat Zinn, Focusing nach Eugene T. Gendlin, Somatic Experiencing nach Dr. Peter Levine, Emotionsfokussierte Therapie (EFT) nach Dr. Leslie Greenberg und Dr. Sue Johnson, Polyvagaltheorie nach Dr. Stephen W. Porges, Körperzentrierte Herzensarbeit nach Safi Nidiaye, Die Kraft des bewussten Fühlens nach Clinton Callahan, Ein Kurs in wahrem Loslassen – durch das Tor des Fühlens zu innerer Freiheit nach Christian Meyer u.a.