Gefühle spielen in unserem Leben eine zentrale Rolle!
Wir erfahren durch sie unsere Lebendigkeit und sie geben allem in unserem Leben eine Bedeutung. Sie geben uns Auskunft über unsere Bedürfnisse, motivieren uns dazu, uns um sie zu kümmern und unterstützen uns dabei.
Alles was in unserem Leben und unserer Mitwelt für uns von Bedeutung ist, ist mit Gefühlen verbunden. Alles was uns bewegt und was wir bewegen, glückliche und leidvolle Momente, unsere Vorlieben und Abneigungen, Wünsche und Ziele, Überzeugungen und Werte, unsere Entscheidungen, Worte und Aktivitäten, all die Wege und Strategien, mit denen wir versuchen unsere Bedürfnisse zu erfüllen, dienen dazu, kurz oder langfristig möglichst angenehme Gefühle zu erfahren und unangenehme zu vermeiden oder sind mit deren Erleben verbunden.
Wo uns das alleine oder im Miteinander schwer fällt oder nicht gelingt, entstehen unsere Konflikte, unsere Probleme und Schwierigkeiten. Es geht im Kern dabei immer um Gefühle, die wir erfahren oder vermeiden wollen. Unser Kampf um angenehme und gegen unangenehme Gefühle und unsere Angst vor ihnen, kann in unserem Leben und unserer Mitwelt viel Leid verursachen und zum Kampf gegen all das führen, was wir für unsere Gefühle verantwortlich machen.
Obwohl unsere Gefühle eine so wichtige Rolle einnehmen, lernen wir kaum, bewusst, lebendig und gesund mit ihnen in Kontakt zu sein, ihre Botschaften zu verstehen und sie im Einklang mit unseren Werten auf stimmige Weise für die Erfüllung unserer Bedürfnisse zu nutzen. Das hat mit Annahmen und Missverständnissen über unsere Gefühle, Gedanken und Bedürfnisse zu tun, die uns das erschweren und damit, dass wir versuchen, Gefühle zu kontrollieren und unangenehme ablehnen und bekämpfen.
Was wir im Allgemeinen unter „Gefühlen” verstehen, ist im Grunde eine Verbindung unterschiedlicher Bewusstseinsphänomene. Für einen bewussten Kontakt ist es wichtig, sie voneinander unterscheiden zu können, die Übergänge zwischen ihnen sind allerdings fließend.
Gefühle sind Körperempfindungen
Unsere Gefühle sind Körperempfindungen, die wir in unserem Körperbewusstsein wahrnehmen und fühlen. Sie sind Ausdruck und Signale unserer Lebendigkeit, die uns Auskunft über den Zustand unserer Bedürfnisse geben und die wir als angenehm oder unangenehm erleben, je nachdem ob ein Bedürfnis erfüllt oder nicht erfüllt ist. Sie fühlen sich unterschiedlich an, sind unterschiedlich intensiv und motivieren und unterstützen uns dabei, uns um unsere Bedürfnisse zu kümmern. Von einem unangenehmen Druck, der uns dazu bewegt unsere Haltung zu verändern, einem neutralen oder Wohlgefühl, das uns die Haltung beibehalten lässt, einem Unwohlsein im Magen oder wohligem Kribbeln im Bauch, beklemmender Enge oder angenehmer Entspannung und Wärme in der Brust, bis zu heftigen Schmerzen, intensiven Wohlgefühlen und komplexen Körperempfindungen, die wir als Freude, Traurigkeit, Angst oder Wut erleben. Es sind unsere Körperempfindungen, um die sich alles dreht, von denen wir möglichst angenehme erfahren und unangenehme vermeiden wollen.
Der Einfluss unserer Gedanken auf unsere Gefühle und Bedürfnisse
Ob ein Bedürfnis für uns erfüllt ist und wir angenehme oder unangenehme Gefühle erleben, wird dadurch bestimmt, wie unser Nervensystem unser Erleben, also unsere Sinneswahrnehmungen, deutet und bewertet. Dazu gehören auch bewusste und unbewusste Gedanken an die wir glauben oder mit denen wir uns identifizieren, Vorstellungen und Überzeugungen, die wir als Wirklichkeit erfahren. Sie beeinflussen, ob wir unsere Bedürfnisse als erfüllt erleben und lösen dadurch Gefühle aus. Unsere Gefühle geben uns also im Grunde darüber Auskunft, wie unsere Gedanken und die Deutungen unseres Nervensystems unsere Bedürfnisse einschätzen und erfüllen.
Die Deutungen unseres Nervensystems und unsere Gedanken sind nicht immer zutreffend und hilfreich. Gleichzeitig beeinflussen sie, was wir als Wirklichkeit erleben und wie wir darauf reagieren, wie wir unser Leben und unsere Mitwelt gestalten. Kleine Gemeinsamkeiten unserer Wahrnehmung einer gegenwärtigen Situation mit einer Erinnerung, können dazu führen, dass wir sie ähnlich erleben und auf sie reagieren wie in unserer Vergangenheit. Unsere Gedanken können etwas für unsere, über einen längeren Zeitraum und aus unterschiedlichen Gründen aufgestaute Wut verantwortlich machen und bekämpfen, das sie in der Gegenwart nur ausgelöst, aber nicht verursacht hat. Unsere Erfahrungen werden zu einem großen Teil von unseren eigenen bewussten und unbewussten Gedanken geformt und gefärbt. Deshalb ist es besonders wichtig, auch mit ihnen in einem bewussten Kontakt zu sein und uns ihrer Wirkung auf unsere Wahrnehmung, unsere Gefühle und unser Verhalten bewusst zu sein.
Unsere Gedanken dienen uns neben der Deutung, ob unsere Bedürfnisse erfüllt oder beeinträchtigt werden und was die Ursachen dafür sind, auch dabei, uns stimmig und nachhaltig um sie zu kümmern. Gedanken wie unsere Überzeugungen und Werte sind im Grunde Annahmen darüber, welche Umstände und Bedingungen möglichst dazu führen, dass unsere Bedürfnisse erfüllt werden und wir angenehme Gefühle erleben. Sie ermöglichen uns, zu lernen, uns weiter zu entwickeln und unser Leben zu vereinfachen, können uns und unsere Mitwelt aber auch darin behindern und schaden. Sie stammen aus unserer Vergangenheit und wir haben sie häufig von unserer Mitwelt übernommen. Um zu überprüfen, ob sie im Hier und Jetzt erfolgreich und für uns wirklich hilfreich und stimmig sind, braucht es unser bewusstes Fühlen.
Zwischen Gefühlen und Gedanken unterscheiden
Unsere Gedanken sind eng mit unseren Gefühlen verbunden, sind aber nicht unsere Gefühle. Besonders Gedanken, die vermehrt in Verbindung mit intensiven Gefühlen wie Traurigkeit, Angst und Wut in unserem Bewusstsein auftauchen, die Vermutungen oder Gefühle ausdrücken, können wir für unsere Gefühle halten. Wir halten die Inhalte dieser Gedanken dann vielleicht für Tatsachen, weil sie sich so wirklich „anfühlen”, denn die mit ihnen verbundenen Körperempfindungen sind ja wirklich da. Solche Gedanken können unsere Gefühle verstärken, wir steigern uns „in unsere Gefühle hinein”, erleben uns als sehr emotional, sind aber nicht in einem bewussten, annehmenden Kontakt mit unseren eigentlichen Gefühlen, unseren Körperempfindungen. Die Gedanken „Ich bin nicht liebenswert.”, „Ich habe das Gefühl, hier stimmt was nicht.” oder „Ich fühle mich ungerecht behandelt.” können mit Traurigkeit, Angst und Wut verbunden sein, sie auslösen und verstärken, sind aber Aussagen über etwas und keine Gefühle.
Zwischen Gefühlen und Verhalten unterscheiden
Auch unser Verhalten ist eng mit unseren Gefühlen verbunden, unsere Gefühle sind aber auch nicht unser Verhalten. Unsere Körperreaktionen (wie ein Anspannen unserer Muskeln, eine impulsive Bewegung oder unsere Art zu Atmen) bilden einen fließenden Übergang zwischen unseren Körperempfindungen (wie Schmerz, Druck, Kribbeln, Wärme, Kälte, innere Anspannungen oder Entspannung) und unserem Verhalten, das sie vorbereiten (wie Bewegungen, Sprechen oder Handlungen). Unsere Körperreaktionen und unser Verhalten dienen dazu, Bedürfnisse zu erfüllen. Je nachdem wie unser Nervensystem unsere Sinneswahrnehmungen deutet und welche Gedanken wir für wahr halten, befinden wir uns dabei in einem Bewusstszustand von Sicherheit und Verbundenheit, Wachsamkeit, Kampf, Flucht, Betäubtheit oder Erstarren, in unterschiedlicher Intensität und mit verschiedenen Auswirkungen, wie unterschiedlichen Graden von Anspannung oder Erregung. Dadurch können unsere Wahrnehmung, unser Denken, Fühlen und Handeln beeinflusst und beeinträchtigt werden. Unsere Reaktionen und unser Verhalten können impulsiv und in unbewussten Mustern ablaufen. Auf den ersten Blick versuchen unsere lauten, verurteilenden Worte vielleicht unserer Sicherheit zu dienen, können aber mit etwas Abstand betrachtet der Situation nicht angemessen und wenig hilfreich sein und dabei auch wichtige andere Bedürfnisse, wie die nach Verständnis, Mitgefühl oder Verbundenheit beeinträchtigen.
Folgen eines unbewussten Kontaktes mit unseren Gefühlen
Auch wie wir mit unseren Gefühlen in Kontakt sind, ist Teil unseres Verhaltens.
Wenn wir keine gute Verbindung mit unserem Körper haben, keine annehmende Aufmerksamkeit für unsere Körperempfindungen, unsere Gefühle vermeiden, verdrängen, betäuben oder unterdrücken, verstärkt das langfristig unsere Probleme, weil es uns darin beeinträchtigt, bewusst wahrzunehmen, zu denken und zu handeln. Wir können unsere Gefühle nicht zur Erfüllung unserer Bedürfnisse nutzen, wodurch wir uns nicht um ihre wirklichen Ursachen kümmern und sie früher oder später verstärkt zurückkommen, ohne dass wir gelernt haben, bewusst mit ihnen in Kontakt zu sein, was uns auf Dauer viel Kraft und Energie kostet. Unser Sinn für Lebendigkeit verkümmert, wir brauchen mehr und intensivere äußere Reize, um uns lebendig zu fühlen und es fällt uns auch immer schwerer, angenehme Gefühle zu erleben, Gelassenheit, Frieden, Freude, Vertrauen, Verbundenheit, Mitgefühl, Liebe und Fülle zu erfahren. Unsere Bedürfnisserfüllung und der Umgang mit unseren Gefühlen kann für uns und unsere Mitwelt immer anstrengender, kostspieliger und leidvoller werden.
Unsere Wahrnehmung, Gedanken, Gefühle und unser Verhalten sind in einem einander beeinflussenden Kreislauf verbunden. Wie sie sich gegenseitig beeinflussen und wie wir unser Leben und unsere Mitwelt durch sie und mit ihnen gestalten, hängt davon ab, wie bewusst wir mit ihnen in Kontakt sind.
Sowohl unsere Gedanken als auch unser Verhalten können es uns schwer machen, uns im Einklang mit unseren Werten stimmig um unsere Bedürfnisse zu kümmern und großes Leid in unserem Leben und unserer Mitwelt verursachen. In unserer Vergangenheit und unserer Geschichte als Menschheit haben wir das immer wieder erlebt. Weil sie so eng mit unseren Gefühlen verbunden sind, unsere Gefühle selbst – unangenehme aber auch angenehme Körperempfindungen – uns überfordern und Angst machen können und wir häufig Ablehnung auf unseren Ausdruck von Gefühlen erfahren, können wir gelernt haben, dass Gefühle nicht vernünftig sind, Leid verursachen und wir sie vermeiden oder kontrollieren sollten. Wir können uns ihnen gegenüber ohnmächtig erleben, weil wir sie nicht kontrollieren können, sie nicht fühlen wollen und sie deshalb ablehnen und bekämpfen. Macht und Frieden mit unseren Gefühlen gewinnen wir aber nicht, indem wir sie bekämpfen, sondern durch unseren bewussten, annehmenden Kontakt mit ihnen.
Unsere Gefühle sind lebenswichtig und machen unser Leben lebenswert
Unsere Gefühle sind für uns lebenswichtig und machen unser Leben erst lebenswert. Wir brauchen unsere Freude, Traurigkeit, Angst, Wut und all unsere anderen Körperempfindungen. Sie sind einfach Signale dafür, ob wir unsere Bedürfnisse als erfüllt erleben oder nicht und motivieren und unterstützen uns dabei, uns um sie zu kümmern. Sie treffen selbst keine Aussagen über Tatsachen und handeln nicht.
Wir können Erfahrungen gemacht haben, die dazu geführt haben, dass wir bestimmte Gefühle nicht fühlen wollen oder können und stattdessen andere Gefühle fühlen, mit denen uns das leichter fällt. Diese Gefühle sind aber nicht dauerhaft hilfreich und führen eher dazu, dass unsere Probleme bestehen bleiben oder sich sogar verschärfen. Wenn wir traurig und depressiv sind, wo wir eigentlich unsere Wut bräuchten, um Grenzen zu setzen oder wütend, wo wir eigentlich traurig sind und uns mehr Kontakt wünschen. Bewusstes, annehmendes Fühlen hilft uns dabei, mit den hilfreicheren Gefühlen darunter in Kontakt zu kommen.
Manchmal kann es auch wichtig und nachhaltig sein, etwas zu tun, was sich zunächst unangenehm anfühlt, statt den angenehmen Gefühlen nachzugehen, um uns langfristig besser um unsere Bedürfnisse kümmern zu können. Dabei ist es aber wichtig, mit unseren Gefühlen bewusst und annehmend in Kontakt zu bleiben, um uns nicht dauerhaft von ihnen zu trennen und unsere Verbindung mit unserem Körper, unseren Bedürfnissen und damit unserer Lebendigkeit und Fähigkeit zu Mitgefühl zu verlieren.
Uns über unsere Gefühle und Bedürfnisse auszutauschen, sie miteinander zu teilen und die Verantwortung für sie zu übernehmen hilft uns, uns ineinander hineinzuversetzen, Verständnis und Mitgefühl für unser Erleben zu entwickeln, lebendiger miteinander in Kontakt zu sein, Vertrauen und Verbundenheit aufzubauen, Konflikte vorzubeugen und grundlegende und nachhaltige Lösungen für sie zu finden.
Bewusst Fühlen
Um bewusst mit unseren Gefühlen in Kontakt zu sein, richten wir einen Teil unserer Aufmerksamkeit auf die Körperempfindungen in unserem Körperbewusstsein. Dabei versuchen wir eine offene, annehmende, wertungsfreie Haltung einzunehmen. Wenn wir dabei sehr angespannt sind, können uns Entspannungstechniken dabei helfen.
Was spüre ich in meinen Körper?
Wie fühlt sich das an?
Was verändert sich?
Stehen diese Körperempfindungen für sich oder sind sie Teil eines komplexeren Gefühls, wie Freude, Traurigkeit, Angst oder Wut?
Kann ich mir im Erleben dieser Empfindungen mit Freundlichkeit und Mitgefühl begegnen?
Welche Botschaft haben meine Körperempfindungen, meine Gefühle für mich?
Welche Bedürfnisse sind erfüllt oder beeinträchtigt?
Welche Beobachtungen oder Gedanken sind der Grund dafür?
Gibt es jetzt etwas Konkretes zu verändern, um für meine Bedürfnisse zu sorgen und wie hilft mir mein Gefühl dabei?
Liegt darunter vielleicht ein anderes Gefühl, das ich mir nicht erlaube, aber hilfreicher wäre?
Auf welche Weise ist es am stimmigsten, mich um mein Bedürfnis zu kümmern und ist es dafür vielleicht sogar ausreichend, meine Gefühle anzunehmen und da sein zu lassen?
Wie bewusstes Fühlen unser Leben bereichert
Die Verantwortung für unsere Gefühle zu übernehmen und ihnen in uns einen sicheren, annehmenden Raum zu geben, in dem sie da sein können, ermöglicht uns bewusst wahrnehmen, fühlen, denken und handeln zu können, uns selbst und unserer Mitwelt mit Mitgefühl zu begegnen, Klarheit über die Botschaften unserer Gefühle und die ihnen zugrunde liegenden Bedürfnisse zu gewinnen und stimmige Wege zu finden, uns um sie zu kümmern, damit unsere Gefühle ihre Aufgabe erfüllen und wieder gehen können. Das natürliche Kommen und Gehen von angenehmen und unangenehmen Gefühlen ist dabei manchmal mit Schmerz, aber weniger mit Leid verbunden und Ausdruck unserer Lebendigkeit.
Es kann etwas Geduld und viel liebevolle, mitfühlende Annahme erfordern, bis wir Schritt für Schritt die Fähigkeit und das Vertrauen dazu aufgebaut haben und es für uns zu einem natürlichen Prozess wird. Wir schaffen dadurch eine wichtige Voraussetzung dafür, im Einklang mit unseren Werten und Bedürfnissen zu leben und mit uns und unserer Mitwelt in Frieden und lebendig verbunden zu sein!