Wenn wir die Wirklichkeit bewusster erleben und vielleicht sogar aus unserem Traum von Wirklichkeit erwachen wollen, müssen wir lernen zu beobachten und uns nicht mehr mit dem Beobachteten zu identifizieren.
Durch klares Beobachten können wir zwischen unseren Sinneseindrücken und unseren mit Ihnen verbundenen Deutungen und Vorstellungen unterscheiden lernen und dadurch so nah mit der Wirklichkeit in Kontakt kommen, wie uns das als Menschen mit unseren eingeschränkten Sinnen möglich ist.
Um zu lernen bewusst zu beobachten, richten wir gezielt unsere Aufmerksamkeit auf unterschiedliche Bereiche unserer Wahrnehmung. Das können unterschiedliche Sinneseindrücke außerhalb oder innerhalb unseres Körpers sein. Wir können die Welt um uns herum sehen, hören, riechen, tasten, fühlen und schmecken. Und auch in uns können wir Bilder sehen, Worte und Geräusche hören und unseren Körper fühlen. Dazu gehören auch unsere Gedanken und unsere Gefühle, körperliche Empfindungen.
Wenn wir das eine Weile üben, können wir verschiedene Erfahrungen machen. Wir können vieles in uns uns entdecken, was wir bisher nicht oder anders wahrgenommen haben. Wir erleben vielleicht, wie sehr unsere Erfahrung von Wirklichkeit dadurch beeinflusst wird, welche Gedanken und Gefühle in uns auftauchen, wie wir durch sie alles deuten und bewerten oder auf alte Deutungen und Bewertungen zurückgreifen und wie wir uns und unsere Mitwelt durch diese Filter erfahren. Vielleicht machen wir sogar das erste Mal bewusst die Erfahrung, dass wir unsere Gedanken und Gefühle beobachten können, also nicht mit ihnen identisch sind. Und dass alleine das bewusste Beobachten unserer Gedanken und Gefühle etwas in unserer Wahrnehmung und unserem Erleben verändert. Wir können Gedanken und Gefühle in uns entstehen, verweilen und verschwinden sehen, wie wir unseren Atem beobachten können oder Wolken am Himmel. In Momenten erfahren wir, dass wir wahrnehmen können, ohne gleichzeitig zu denken und zu deuten. Dass Stille und Leere erfüllt sind und sich wundervoll anfühlen.
Wir können die Erfahrung machen, dass wir ohne zu denken bewusster, klarer und gegenwärtiger sind. Und das jeder Gedanke nur so viel Bedeutung hat, wie wir selbst ihm geben.
Wir selbst?
Wer oder was ist das eigentlich, das wir als „Selbst” oder „Ich” bezeichnen? Je länger und klarer wir beobachten, desto mehr können wir erfahren, dass unsere Vorstellung von uns selbst als persönliche Identität eine Ansammlung von Gedanken, Bildern und Gefühlen ist, die wir alle beobachten können, ebenso wie wir unseren Körper beobachten können. Alle diese Phänomene verändern sich, haben keinen Bestand. Woran können wir erkennen, ob diese Phänomene Wirklichkeit sind? Und können wir identisch sein mit dem, was wir beobachten können?
Wer oder was beobachtet da überhaupt? Wenn wir versuchen zu beobachten, was beobachtet, wovon die Beobachtung ausgeht, müssen wir irgendwann aufgeben: es ist nicht möglich zu beobachten, was beobachtet! Immer dann wenn wir glauben es zu können, stellt sich heraus, dass wir stattdessen einen Gedanken oder ein Bild beobachtet haben, von dem wir nur glaubten, es sei das Beobachtende. Jedes Bild, jeder Gedanke, jedes Gefühl wird beobachtet. Alles was wir erfahren, wird durch das Beobachtende wahrgenommen.
Wenn wir erfahrend erkennen, dass wir das Beobachtende sind, das wir nicht beobachten können, erwachen wir. Manchmal nur für einen kurzen Moment. Wir erkennen, dass wir nicht sind, was wir beobachten, nicht unsere Sinneseindrücke, unser Körper, Gedanken oder unsere Gefühle. Wir mögen damit verbunden sein, aber wir sind nicht damit identisch. Wir sind nicht die Formen, die wir beobachten können, all das, was sich verändert, kommt und geht. Wir sind das Formlose, das all das sich Verändernde wahrnimmt, ohne sich selbst zu verändern.
Wir sind Bewusstsein, das wahrnimmt.
Das ist das Einzige, von dem wir sicher sagen können, dass es Wirklichkeit ist und das Bestand hat. Was nicht kommt und geht, sondern immer da ist. Wir sind. Und wir beobachten.
Unser Verstand kann nicht begreifen, was wir sind. Unser Verstand, seine Gedanken und Bilder sind Formen, die innerhalb unseres formlosen Bewusstseins existieren. Wir können bewusst sein, ohne zu denken. Wir können nicht denken, ohne bewusst zu sein. Wir sind Bewusstsein und können Gedanken beobachten. Aber unsere Gedanken selbst sind nicht in der Lage zu beobachten, was wir sind. Sie sind selbst kein Wahrnehmungsinstrument. Unsere Gedanken sind kein Bewusstsein. Unsere Gedanken beobachten nicht.
Wir können erkennen, dass wir selbst – reines Bewusstsein, darüber bestimmen, ob wir einem Gedanken Aufmerksamkeit schenken und an ihn glauben oder nicht. Ob ein Gedanke für uns Wirklichkeit ist, bestimmt unser Bewusstsein. Und wir können erkennen, dass wir uns so in Gedanken und Gefühlen verlieren können, dass wir glauben, diese Gedanken und Gefühle wären die Wirklichkeit und das Bild einer Person wäre unser Selbst.
Wenn wir nicht mehr in den Traum unserer Gedanken zurückfallen, können wir dauerhaft erwachen. Vieles verändert sich dadurch. Wir sind so nah es uns in unserem menschlichen Körper mit unseren menschlichen Sinnen möglich ist, mit der Wirklichkeit verbunden. Wir können zwischen reinen Beobachtungen und deren Deutungen unterscheiden und wir sind bewusst in der Lage, das Instrument unserer Gedanken zu nutzen – ohne uns mit ihnen zu identifizieren und durch sie benutzt zu werden.
Als reines, erwachtes Bewusstsein erfahren wir etwas, das unser Leben grundlegend verändert: Frieden, Liebe, Lebendigkeit, Vertrauen und Sicherheit sind mit unserem Selbst natürlich verbunden. Nur Gedanken, an die wir glauben, können uns in ihrer Wahrnehmung behindern.
Unser Bewusstsein ist unveränderlich und vollkommen.