Unser Leben wird von zwei Fragen bestimmt:
Wie kann ich dafür sorgen, dass es mir möglichst gut geht?
Und:
Wie kann ich dafür sorgen, dass es meiner Mitwelt möglichst gut geht?
Wir sind kurz- oder langfristig auf der Suche nach dem größtmöglichen, für uns vorstellbaren, Glück.
Wir versuchen Zustände, die wir als angenehm erfahren, möglichst zu bewahren und Zustände, die wir als unangenehm erfahren, möglichst zu vermeiden. Wir übernehmen und entwickeln Vorstellungen davon, welche Bedingungen eintreten müssen, damit wir Glück erfahren und Leid vermeiden können. Wir sind ständig damit beschäftigt, etwas dafür oder dagegen zu tun, etwas zu erreichen, zu werden oder zu konsumieren, wovon wir glauben, dass es uns das ermöglicht. Wir sehen die Ursachen für Glück und Leid überwiegend in unserer Person oder unserer Mitwelt und versuchen sie entsprechend zu bewahren oder zu verändern.
Dabei machen wir die Erfahrung, dass das gar nicht so leicht ist. Vieles entzieht sich unserem Einfluss und unseren Möglichkeiten. Besonders, wenn sich unsere Vorstellungen davon, was und wie wir etwas bewahren oder verändern wollen, von der Wirklichkeit oder den Vorstellungen unserer Mitwelt unterscheiden, kommt es zu Konflikten und wir selbst oder unsere Mitwelt erfahren Leid. Wenn es uns nicht gelingt, unsere Vorstellungen zu verwirklichen, strengen wir uns noch mehr an, bekämpfen unsere Mitwelt oder unsere Person oder geben auf. Und auch wenn es uns gelingt, stellt sich das erhoffte Glück oft nicht ein oder ist nur von kurzer Dauer. Wir passen unsere Vorstellungen an, was für uns an Glück möglich und an Leid vermeidbar ist und welche Bedingungen dafür erfüllt werden müssen, und wenden uns dem nächsten Ziel zu.
Wir beschäftigen uns mehr mit der Vergangenheit und der Zukunft, als die Gegenwart zu erleben. Ohne Aktivität oder Ablenkung im Hier und Jetzt einfach da zu sein, vermeiden wir. Kommt es doch dazu, erleben wir in unserem Inneren Unbehagen, Unruhe, Langeweile, Sehnsucht, die uns ständig anzutreiben scheinen und uns meistens als vages Empfinden im Hintergrund begleiten. Nur in seltenen Momenten sind wir davon frei und können unser Dasein genießen, ohne uns dafür anstrengen oder Bedingungen erfüllen zu müssen, erfahren Lebendigkeit, Frieden, Freude und Liebe aus uns selbst heraus.
Wir sind so damit beschäftigt, die äußeren Umstände unseres Lebens und unserer Mitwelt zu gestalten, dass wir uns kaum Zeit und Raum dafür nehmen, inne zu halten, nach innen zu schauen und zu untersuchen, wie unsere Innenwelt mit der Außenwelt zusammenhängt. Dabei sind es immer Gefühle und Gedanken, die uns selbst oder unsere Mitwelt bewegen, etwas zu tun, etwas zu bewahren oder zu verändern. Es prallen unterschiedliche Gedanken aufeinander, wenn es zu Konflikten kommt und es werden Gefühle ausgelöst, die wir nicht fühlen wollen und die uns dazu bringen, gegen unsere Person oder unsere Mitwelt zu kämpfen. Immer sind es Gedanken und Gefühle, unter denen wir leiden oder die wir als Glück erleben. Beide erfahren wir in uns.
Vielleicht haben wir das auch schon erkannt, und versuchen gezielt Gedanken und Gefühle in uns zu bewahren oder zu verändern, um mehr Glück zu erfahren und weniger Leid. Versuchen etwas zu erreichen oder zu werden, was uns das erleichtert. Doch auch dabei machen wir die Erfahrung, dass das gar nicht so leicht ist und wenden uns immer wieder neuen Zielen zu, ohne wirklich anzukommen.
Wie ist unsere Innenwelt mit unserer Außenwelt verbunden? Welchen Einfluss haben wir auf sie? Und können wir die wirklichen Ursachen für die Herausforderungen in unserem Leben und unserer Welt finden und beheben, wenn wir sie überwiegend im Außen suchen?
Die Welt die wir wahrnehmen, ist die Welt in unserem Bewusstsein.
Von außerhalb unseres Bewusstseins erreichen unsere Sinnesorgane unterschiedliche Signale, unsere Sinnesorgane wandeln sie in chemische und elektrische Signale um und leiten sie weiter in unser Gehirn, und unser Gehirn konstruiert mit ihrer Hilfe eine Deutung der Welt, die in unserem Bewusstsein auftaucht. Dabei ist unser Gehirn mehr darauf spezialisiert, für unser Überleben zu sorgen und uns zu ermöglichen, uns in unserer Mitwelt möglichst einfach, anpassungsfähig und energiesparend zurechtzufinden, als darauf, die Wirklichkeit vollständig und klar zu erfassen und in uns wirklichkeitsgetreu abzubilden.
Von der unermesslichen Fülle und Vielfalt an Eindrücken in unserer Welt und den unterschiedlichen Sichtweisen auf sie, ist es uns nur möglich einem winzigen Bruchteil überhaupt zu begegnen. Wir können uns nur in einem begrenzten Raum zur selben Zeit aufhalten, nur bestimmten Eindrücken aufmerksam zuwenden. Wir sind dabei durch unsere Sinne begrenzt, die nur einen Bruchteil an Signalen überhaupt wahrnehmen können, und durch unser Gehirn, das nur einen Bruchteil davon verarbeiten kann. Wir können nur einen Bruchteil elektromagnetischer Wellen sehen, nur einen Bruchteil akustischer Wellen hören, nur einen Bruchteil physischer Reize spüren, nur einen Bruchteil an Molekülstrukturen und ‑konzentrationen riechen und schmecken. Wir können nur bestimmte Abläufe wahrnehmen, die nicht zu langsam oder zu schnell sind, nur bestimmte Dimensionen erfassen, die nicht zu klein oder zu groß sind. Was unsere Sinne auch mit instrumenteller Unterstützung nicht wahrnehmen können, existiert für uns nicht. Die Signale, die unsere Sinne wahrnehmen können, werden, an unseren Bedürfnissen orientiert, anhand vergangener Erfahrungen und Erwartungen gedeutet, bewertet und angepasst, Informationen entsprechend ergänzt und ausgeblendet und es entstehen Gedanken, Empfindungen und Gefühle dazu. Aus all dem konstruiert unser Gehirn unser persönliches, subjektives Bild der Wirklichkeit, unsere Bilder davon, wer wir sind, und der Welt, in der wir leben. Wir begegnen unserer Mitwelt auf Ebene dieser Bilder, die sich aufgrund unserer unterschiedlichen Erfahrungen, den unterschiedlichen Deutungen und Bewertungen unserer Wahrnehmungen und den unterschiedlichen Gefühlen, die wir dabei erfahren, voneinander unterscheiden.
Alles, was wir erfahren, erfahren wir innerhalb unseres Bewusstseins. Alles, was wir jemals erfahren haben, haben wir innerhalb unseres Bewusstseins erfahren. Alles, was wir jemals erfahren werden, werden wir innerhalb unseres Bewusstseins erfahren.
Unser ganzes Leben, jeden Kontakt mit unserer Mitwelt, was wir wahrnehmen, was wir denken und fühlen, wie wir mit diesen Gedanken und Gefühlen umgehen, die Haltungen, die daraus entstehen, die Vorstellungen davon, was wir bewahren oder verändern wollen und die daraus folgenden Worte und Handlungen. Alles was wir beeinflussen können, beeinflussen wir innerhalb unseres Bewusstseins und aus unserem Bewusstsein heraus. Wie bewusst oder unbewusst wir dabei sind, beeinflusst, was dabei entsteht, was wir erschaffen und wie wir es gestalten. Wie wir unser Leben und unsere Mitwelt erfahren, ist das Ergebnis unseres gemeinsamen Bewusstseins: unserer gemeinsamen Wahrnehmung innerhalb unseres Bewusstseins, unseren gemeinsamen Gedanken und Gefühlen innerhalb unseres Bewusstseins, unserem bewussten oder unbewussten Umgang mit ihnen und den gemeinsamen Worten und Handlungen, die aus unserem Bewusstsein heraus entstehen.
Unsere Sinne sind nach außen gerichtet und wir lernen, unsere Aufmerksamkeit überwiegend nach außen zu richten. Deshalb ist auch unsere Suche nach Lösungen überwiegend nach außen gerichtet, wenn wir etwas verändern oder bewahren wollen. Je mehr meine Aufmerksamkeit nach außen gerichtet ist, desto weniger bin ich mir bewusst, wie mein Bild der Wirklichkeit in meinem Bewusstsein entsteht. Ich bin mir nicht bewusst, wie Gedanken und Gefühle dieses Bild färben und wie sie mich dazu bewegen, etwas zu bewahren oder zu verändern und auf welche Weise ich das tue. Ich bin unbewusst. Diese Unbewusstheit ist die Hauptursache für die Herausforderungen, denen wir in unserem Leben und in unserer Welt begegnen.
Was unterscheidet Un-Bewusstheit von Bewusstheit, wie werden wir bewusster und was verändert sich dadurch?
Wir alle sind Bewusstsein. Es ist unsere Natur, bewusst zu sein. Alle Erfahrungen, die wir machen, machen wir, weil wir bewusst sind. Wir wissen um unsere Erfahrungen. Diese Erfahrungen machen wir als fertiges Gesamtbild von unterschiedlichen Bewusstseinsphänomenen, das wir als Wirklichkeit erleben. Wir reagieren darauf, ohne dabei erfahrend zu wissen, dass wir auf subjektive Wahrnehmungen, Gedanken und Gefühle reagieren, aus denen dieses Bild der Wirklichkeit besteht. Wir erleben uns dabei als eine Person, die beständig ist oder sich verändert, so wie die Sinneswahrnehmungen, Gedanken und Gefühle beständig sind oder sich verändern, mit denen wir uns identifizieren.
Bewusstheit, oder bewusst zu sein, bedeutet für mich, dass ich erfahrend weiß, dass ich nicht die Wirklichkeit selbst erlebe, sondern eine subjektive, begrenzte Verinnerlichung und Deutung der Wirklichkeit. Ich weiß erfahrend, wie sie aus den verschiedenen Bewusstseinsphänomenen in meinem Bewusstsein gebildet wird. Dass eine Sinneswahrnehmung, die in meinem Bewusstsein auftaucht, eine Sinneswahrnehmung ist. Dass ein Gedanke, der in meinem Bewusstsein auftaucht, ein Gedanke ist. Dass ein Gefühl, das in meinem Bewusstsein auftaucht, ein Gefühl ist. Ich kann sie voneinander unterscheiden und beobachten, wie sie sich gegenseitig beeinflussen. Ich nehme auch feine Gefühle in mir wahr und kann unangenehmen einen sicheren, inneren Raum geben, in dem ich sie annehmend fühlend halte. Dadurch kann ich bewusst entscheiden, ob ich Gedanken folge und wie ich mich verhalte, statt unbewusst in Automatismen zu reagieren.
Das erfordert, dass ich mich selbst als etwas erfahre, das nicht identisch mit diesen Bewusstseinsphänomenen ist, sich nicht mit ihnen identifiziert, das nicht von ihnen hypnotisiert ist. Ich erfahre mich als das, was all diese Bewusstseinsphänomene erfährt. Das Bewusstsein selbst. Ich erfahre mich als Wirklichkeit, in der Bewusstseinsphänomene auftauchen, die nicht die Wirklichkeit sind.
Durch die Erfahrung, der Beobachter der in mir auftauchenden Bewusstseinsphänomene zu sein, löst sich meine Identifikation mit ihnen. Meine Aufmerksamkeit ist nicht dauerhaft auf sie fokussiert und mit ihnen verschmolzen. Dadurch erfahre ich eine Weitung meines Bewusstseinsraumes und meiner Wahrnehmung und nehme umfassender und feiner wahr. Ich wähle bewusster, auf welche Bewusstseinsphänomene ich meine Aufmerksamkeit richte, statt sie von ihnen lenken und vereinnahmen zu lassen. Ich kann alles, was in mir auftaucht, als Sinneswahrnehmung, Gedanke und Gefühl erkennen, annehmend beobachten und fühlen. Ich kann sie da sein lassen, ohne etwas mit ihnen tun zu müssen, ohne ihnen Widerstand entgegenzubringen und ohne mit ihnen zu verschmelzen. Dadurch kann ich Sicherheit, Vertrauen, Lebendigkeit, Frieden, Freude und Liebe aus mir selbst heraus und unabhängig von äußeren Bedingungen erfahren. Ich lebe aus dieser Erfahrung von Fülle und Liebe heraus, statt aus Mangel und Angst.
Das ist wirkliches Selbst-Bewusstsein. Das Bewusstsein meines Selbst als reines Bewusstsein, in dem sich verändernde Sinneswahrnehmungen, Gedanken und Gefühle auftauchen, das sich selbst aber nicht verändert, sondern beständig ist. Im Gegensatz zum Ego-Bewusstsein, das eine unbeständige, sich verändernde Illusion ist, die daraus entsteht, dass sich mein Selbst mit Gedanken über bestimmte Eigenschaften und Fähigkeiten identifiziert, mit Erinnerungen, Deutungen, Erwartungen und den Gefühlen, die dadurch ausgelöst werden.
Die Identifikation mit unserem Körper und unseren Gedanken ist die Hauptursache unserer Erfahrung von Getrenntsein und Einsamkeit und der Entstehung aller Formen von Diskriminierung und Ausgrenzung. In unserem Selbst-Bewusstsein sind wir trotz erfahrener Unterschiede alle gleich und miteinander verbunden.