Unsere Gedanken sind ein wertvolles, mächtiges Instrument, das uns helfen kann uns in unserer Welt zu orientieren. Wir können durch sie eine umfassende Erkenntnis, tiefes Verständnis, und ein Bewusstsein für Zusammenhänge und Verbindungen über uns und unsere Mitwelt erlangen, die über unsere reine, direkte Wahrnehmung hinaus gehen. Unsere Gedanken unterstützen uns darin, für die Erfüllung unserer und der Bedürfnisse unserer Mitwelt zu sorgen. Dank ihnen können wir uns vorstellen was nicht ist und unsere Gedanken miteinander austauschen. Dadurch werden wir – besonders in Gemeinschaft – zu mächtigen Schöpfern und Gestaltern unseres Lebens und unserer Mitwelt.
In der Macht unserer Gedanken liegen aber auch Gefahren, die sich besonders dann zeigen, wenn wir nicht bewusst und achtsam mit ihnen in Kontakt sind.
Unsere Gedanken sind oft nicht lebendig, konstruktiv und positiv auf das ausgerichtet, was wir uns wünschen, sondern blockierend, trennend, destruktiv und negativ auf das ausgerichtet, was wir eigentlich vermeiden wollen.
Je mehr unsere Aufmerksamkeit auf unsere Gedanken gerichtet ist, desto mehr nehmen wir uns, unsere Mitwelt, die Lebendigkeit selbst nicht direkt, sondern gefiltert über unsere Gedanken wahr – unsere Ur-teile und Vor-stellungen trennen uns von dem, was wirklich ist. Wir leben oft mehr in unserer Vergangenheit und einer vorgestellten Zukunft, als in der Wirklichkeit: dem Hier und Jetzt. Wir erleben uns getrennt von der bedingungslosen Liebe, dem tiefen Frieden und der Lebendigkeit in uns und unserer Mitwelt und lernen, dass wir erst bestimmte Bedingungen erfüllen und Leistungen erbringen müssen, um sie zu erfahren.
Urteile über uns selbst und unsere Mitwelt erleben wir als Wirklichkeit: sie führen dazu, dass Bedürfnisse nicht erfüllt werden und unangenehme Gefühle entstehen, die weitere, bevorzugt zu diesen Gefühlen passende Gedanken anziehen.
Wir identifizieren uns mit unseren Gedanken: wir setzen unsere Deutungen und Bewertungen über uns und unsere Mitwelt mit uns und unserer Mitwelt gleich und halten sie für die Wirklichkeit. Durch diese Verschmelzung ist uns nicht bewusst, wie sehr unsere Gedanken unser Erleben der Wirklichkeit beeinflussen.
Die Kraft der Vorstellung kann uns in einem Maße von der Wirklichkeit trennen, dass wir in einer Scheinwelt mit einer inneren Logik leben, die sich immer wieder selbst zu bestätigen scheint. Wir filtern unsere Wahrnehmung der Wirklichkeit durch unsere Überzeugungen, sodass sich diese immer wieder selbst zu bestätigen scheinen.
Weil wir unser Bedürfnis nach Sicherheit an Vorstellungen und Überzeugungen über uns und unsere Mitwelt knüpfen, können wir uns als existentiell bedroht fühlen, wenn wir selbst oder unsere Mitwelt diese in Frage stellen. Das kann es erschweren, uns der Wirklichkeitsblase in der wir leben auch nur bewusst zu werden: sie ist für uns Wirklichkeit, scheint uns Sicherheit zu geben und was ihr nicht entspricht, ist eine mögliche Bedrohung für uns. Wir leben in unterschiedlichsten Wirklichkeitsblasen, die zu scheinbar unlösbaren Konflikten führen können, wenn sie aufeinander treffen. Statt unserer Lebendigkeit zu dienen, können unsere Gedanken zu Mauern oder gar einem Gefängnis werden.
Die folgenden Schritte dienen als Unterstützung bei der Kontaktaufnahme und Erkundung unserer Innenwelt. Da unsere Gedanken eng mit unseren Gefühlen verbunden sind, setzt ein bewusster, achtsamer Kontakt zu unseren Gedanken einen ebensolchen zu unseren Gefühlen voraus. Deshalb ist es sinnvoll, uns zunächst mit diesen vertrauter zu machen.
Achtsamen Kontakt mit unseren Gefühlen lernen
Die Reihenfolge der folgenden Schritte und jene des achtsamen Fühlens sind eine Empfehlung. Da wir lebendige Wesen mit lebendigen Prozessen sind, ist es sinnvoll lebendig zu erkunden, welcher Schritt JETZT gerade der stimmigste ist. Mit etwas Übung wird uns das immer leichter fallen.
Anstrengend und mühevoll sind zunächst unsere alten Gewohnheiten, die zu der Ansammlung von unangenehmen Gefühlen, behindernden Gedanken und fehlendem Vertrauen und Sicherheit im Kontakt mit uns selbst geführt haben. Je mehr wir uns daran gewöhnen, auf bewusste und achtsame Weise mit uns und unserer Innenwelt in Kontakt zu sein, umso leichter und müheloser wird es für uns. Bald ist es so selbstverständlich wie zu atmen und wir sind in jedem Moment bewusst mit uns in Kontakt.
1. Schritt: Gedanken aufschreiben
Nimm dir etwas zu schreiben und schreibe jeden Gedanken auf, der auftaucht. Es geht nicht darum, die auftauchenden Gedanken zu bewerten oder zu sortieren, sondern bewusst zu erleben, wieviele Gedanken in uns entstehen, deren wir uns oft gar nicht bewusst sind und ohne, dass wir bewusst dazu beitragen. Folge dem Strom der Gedanken und mach dabei keine Pause: auch wenn sich Gedanken wiederholen. Notiere sie trotzdem. Fahre so lange fort, bis kein Gedanke mehr auftaucht – schreibe dich leer.
2. Schritt: Gedanken beobachten
Finde einen Ort, an dem du Ruhe hast und dich möglichst wohl und geborgen fühlst. Lege oder setze dich bequem hin. Um nicht einzuschlafen, ist eine sitzende Haltung besser geeignet.
Richte deine Aufmerksamkeit auf deinen Atem und atme drei Mal tief ein und aus.
Nimm Gedanken wahr, die auftauchen, aber folge ihnen nicht. Versuche sie während dieser Übung zu beobachten, ohne ihnen Bedeutung zu geben. Wenn sie Gefühle in dir auslösen, richte deine Aufmerksamkeit annehmend und wertungsfrei auf die körperlichen Empfindungen in deinem Körper.
Es geht bei dieser Übung vor allem darum, zu beobachten, wie Gedanken in uns entstehen und die Erfahrung zu machen, dass wir nicht mit ihnen identisch sind und nicht auf sie reagieren müssen: wir können sie beobachten, sie kommen und gehen lassen, ohne etwas zu tun.
3. Schritt: Aufgeschriebene Gedanken anschauen
Betrachte die von dir aufgeschriebenen Gedanken aus dem 1. Schritt. Sind sie dir bekannt oder neu? Wie beeinflussen die Gedanken dein Leben? Wie wirken sie auf dich, welche Gefühle lösen sie in dir aus? Richte deine Aufmerksamkeit wertungsfrei und annehmend auf diese Empfindungen in deinem Körper.
4. Schritt: Betrachtung vertiefen
Wähle einen der Gedanken, die unangenehme Gefühle in dir auslösen und betrachte ihn mit Hilfe der folgenden Fragen:
a) Welche Bedürfnisse erfüllt dieser Gedanke?
Beispiele für Bedürfnisse: Selbsterhaltung, Sicherheit, Frieden, Freiheit, Gesundheit, Lebendigkeit, Sinn, Achtung, Anerkennung, Ehrlichkeit, Offenheit, Klarheit, Freundlichkeit, Ausgewogenheit, Vertrauen, Verständnis, Verbundenheit, Nähe, Raum, Kontakt, Gemeinschaft, Zugehörigkeit, Sinnlichkeit, Mitgefühl, Empathie, Danken, Feiern, Trauern, Ruhe, Rücksichtnahme, Unterstützung, Leichtigkeit, Geborgenheit, Kreativität, Selbstausdruck, Wirksamkeit, Weiterentwicklung, usw.
b) Welche Bedürfnisse werden durch diesen Gedanken nicht erfüllt?
c) Wenn es sich bei diesem Gedanken um ein Urteil über meine Mitwelt handelt: Trifft dieser Gedanke auch auf mich selbst zu? Wie verhalte ich mich mir selbst gegenüber?
c) Ist dieser Gedanke wahr?
d) Kann ich mir wirklich absolut sicher sein, dass dieser Gedanke wahr ist?
e) Wie reagiert es in mir, wenn ich diesen Gedanken denke? Was fühle ich dabei, wie verhalte ich mich mir selbst gegenüber und meiner Mitwelt?
f) Wie ginge es mir, wer wäre ich, wenn es diesen Gedanken nicht gäbe oder ich nicht an ihn glauben würde?
g) Kehre den Gedanken um.
5. Schritt: Achtsamer Kontakt mit den Gefühlen, die mit unseren Gedanken verbunden sind
Die Gedanken, an die wir glauben, beinflussen unsere Bedürfnisse und lösen damit Gefühle aus, die wiederum dazu passende Gedanken anziehen. Es kann ein Kreislauf entstehen, der unsere Emotionen immer weiter verstärkt und uns immer mehr einnimmt.
Wenn wir versuchen, Gedanken, die uns einschränken loszulassen oder zu verändern, ohne mit den mit ihnen verbundenen Gefühlen annehmend in Kontakt zu sein, können wir dabei großen Widerstand erfahren und die Veränderung ist meist nicht sehr nachhaltig: die gleichen Gedanken tauchen früher oder später oft mit noch intensiveren Gefühlen wieder auf.
Darüber hinaus gewinnen wir über den Kontakt mit unseren Gefühlen und Bedürfnissen hinter unseren Gedanken oft mehr Klarheit darüber, worum es wirklich geht und kommen mit uns und unserer Mitwelt in eine direktere und einfühlsamere Verbindung.
Achtsamen Kontakt mit unseren Gefühlen lernen
6. Schritt: Gedanken finden, die der Lebendigkeit dienen
Unsere Gedanken sind oft Urteile und Bewertungen, die uns blockieren und von Lebendigkeit, Liebe, Frieden, uns selbst und unserer Mitwelt trennen. Unsere Aufmerksamkeit liegt oft auf dem, was wir uns nicht wünschen und was wir vermeiden wollen, statt auf dem, was wir brauchen, leben und erleben wollen.
Wir haben Einfluss darauf, was es in uns denkt und welchen Gedanken wir folgen wollen und welchen nicht. Kleine Veränderungen in unserem Denken können große Veränderungen bewirken – in jedem Bereich unseres Lebens!
Es kann hilfreich sein, unsere Gedanken in kleinen Schritten zu verändern, statt sie sofort auf den Kopf zu stellen, da es uns so leichter fallen kann, uns auf die Veränderung in unserem Denken einzulassen.
a) Ergänze deinen Gedanken mit: „Ich denke jetzt gerade über mich / meine Mitwelt…” Das kann dir dabei helfen, dir bewusst zu machen, dass es sich bei deinen Gedanken um Gedanken handelt. Also Deutungen, Bewertungen und Urteile, die nur eine mögliche Sichtweise auf die Wirklichkeit von vielen sind.
b) Ergänze deinen Gedanken mit: „Bisher habe ich geglaubt, dass…” Das kann dir dabei helfen, dich für die Möglichkeit zu öffnen, dich geirrt zu haben oder an Gedanken geglaubt zu haben, die dir und deiner Mitwelt mehr schaden als nützen, ohne dass du deine bisherigen Urteile gleich ganz über den Haufen wirfst.
c) Formuliere deine Gedanken so um, dass die Aufmerksamkeit nicht mehr auf dem liegt, was du nicht möchtest, sondern auf dem, was du magst. Beispielsweise statt: „Ich bin es nicht wert, geliebt zu werden.” „Ich möchte Menschen finden, die mich unabhängig meiner Leistungen und Eigenschaften lieben, wie ich bin.” oder „Ich möchte einen Weg finden, mich unabhängig meiner Leistungen und Eigenschaften zu lieben, wie ich bin.” Statt „Das Leben ist schwer und ich kann niemandem vertrauen.” „Ich möchte einen Weg finden, wie ich mehr Leichtigkeit in meinem Leben erfahre und Menschen mehr vertrauen kann.”
d) Finde die Bedürfnisse, die mit deinen Gedanken verbunden sind und formuliere sie um:
Beispielsweise statt: „Dieser Egoist interessiert sich nur für sich!” „Mir ist wichtig, mit meinen Bedürfnissen gesehen und angenommen zu werden.” Statt „Mir ist das alles zuviel!” „Mir ist es wichtig, genug Zeit und Raum für alle meine Bedürfnisse zu haben, auch für Ruhe und Entspannung.”
e) Wiederhole den 2. Schritt: Nimm deine Gedanken wahr und lasse sie Gedanken sein. Richte deine Aufmerksamkeit auf die mit ihnen verbundenen körperlichen Empfindungen und lass sie da sein.
7. Schritt – von der Übung in den Alltag
Zunächst wirst du diese Übungen vielleicht als Übungen erleben, für die du regelmäßig deinen übrigen Alltag unterbrichst und dir Zeit und Raum nimmst. Mit wachsender Vertrautheit in die Art und Weise des Kontaktes zu deinem Selbst wird es dir bald immer leichter fallen, im Laufe eines Tages immer wieder kurz inne zu halten und bei allem was du tust mit deinen Gefühlen und Gedanken in achtsamen Kontakt zu kommen. Du kannst zunächst Situationen in denen du auf etwas warten musst dazu nutzen, oder Tätigkeiten, die keine großen geistigen Anstrengungen erfordern.
Die Dauer, während der du in achtsamem Kontakt bist, kann sich immer weiter ausdehnen, bis es für dich die meiste Zeit so mühelos und normal sein wird, wie zu atmen. Du bist lebendig mit dir und deiner Mitwelt verbunden und erfährst leichter und müheloser Ruhe, Frieden, Klarheit und Liebe.