Alle Probleme in unserem Leben und in unserer Mitwelt, zu deren Entstehung wir beitragen können, haben eine gemeinsame Ursache. Bevor wir diese nicht erkannt haben, wird es uns selbst in unserem Leben und als Gemeinschaft in unserer Welt nicht gelingen, sie grundlegend und nachhaltig zu lösen, weil wir uns ohne das Erkennen dieser Grundursache immer nur auf deren Auswirkungen und Symptome beziehen können. Die Ursache bleibt trotz aller Bemühungen bestehen und die aus ihr wachsenden Probleme sind so entweder gar nicht lösbar oder entstehen früher oder später erneut.
Die größte Schwierigkeit dabei liegt darin, dass wir uns überhaupt ernsthaft mit der Möglichkeit dieser Problematik auseinandersetzen – denn wir selbst und unsere Wahrnehmung sind so eng mit ihr verstrickt, dass sie ein großer Anteil in uns nicht sehen WILL und bewusst und unbewusst auf vielfältige Art und Weise versucht, sie zu verbergen und sich nicht mit ihr auseinanderzusetzen! Leichter fällt es uns möglicherweise noch, sie bei anderen zu sehen, doch lösen können wir sie nur im ehrlichen, offenen und achtsamen Kontakt mit uns selbst.
Die größte und grundlegendste Herausforderung unserer Welt und unseres Lebens besteht darin, zu erkennen, dass wir uns durch die Identifikation mit unseren Gedanken in einem unbewussten Bewusstseins-Zustand befinden – und aus diesem unbewussten, „träumenden” Zustand in einen bewussten Zustand zu „erwachen”!
Die Schwierigkeit dabei liegt in dem Problem selbst begründet: da wir mit unseren Gedanken identifiziert sind, ist uns diese Identifikation nicht bewusst. Es ist eine große Herausforderung, uns überhaupt zu erreichen und von der Notwendigkeit der Zuwendung zu diesem Problem zu überzeugen. Und selbst wenn wir uns darüber bewusst werden, versuchen unsere Gedanken alles Mögliche und Unmögliche, um diese Identifikation zu erhalten.
Es ist wichtig zu erkennen, wie weitreichend und tief die Auswirkungen sind: es geht um unser Bewusstsein, durch das wir alles erleben. Unsere Gedanken beeinflussen, was wir wahrnehmen, wie wir diese Wahrnehmung deuten und erleben, wie wir als Reaktion auf das Erlebte handeln wollen und können, ob und wie unsere Bedürfnisse und die unserer Mitwelt erfüllt und welche Gefühle dabei ausgelöst werden – und welche Auswirkungen all diese Vorgänge auf uns selbst und unsere Mitwelt haben. Alles was wir erfahren, wird durch unsere Gedanken geformt und gefiltert. Und es betrifft uns ALLE – überall auf der Welt, in jedem Moment, unser Leben lang!
Unsere Gedanken und wie wir mit ihnen in Kontakt sind, beeinflussen ALLES mit dem wir auf irgendeine Weise in Kontakt sind. Unsere Unbewusstheit ist die Grund-Ursache für die durch uns Menschen entstandenen, bestehenden und entstehenden Probleme in unserer Welt – im Kleinen wie im Großen. Und es ist ein System, dass sich selbst erhält: wir können es nicht wirklich aus sich selbst heraus verändern, solange wir uns in ihm selbst befinden und aus ihm selbst heraus wirken!
Grundsätzlich sind unsere Gedanken ein wertvolles, mächtiges Instrument, das uns zu mächtigen Schöpfern und Gestaltern macht. In dieser Macht liegt gleichzeitig eine große Gefahr: nutzen wir sie nicht bewusst, ermächtigt sie sich unserer selbst. Ist dies geschehen, werden wir zu einem Instrument unserer Gedanken: wir glauben, was sie uns erzählen, tun, wozu sie uns auffordern und sind dabei davon überzeugt, wir SELBST wären Ursprung dieser Vorstellungen und Aufforderungen.
Dass dies NICHT so ist, können wir durch Beobachten erkennen. Wir können erkennen, dass wir Bewusstsein sind, das Gedanken beobachten kann. Diese Gedanken entstehen innerhalb unseres Bewusstseins – ohne unser bewusstes Zutun. Sie kommen, bleiben und verschwinden im Raum unseres Bewusstseins, sind aber mit diesem nicht identisch.
Wir können bewusst sein ohne zu denken, aber nicht denken, ohne unser Bewusstsein!
Erst unsere Aufmerksamkeit und unser Glauben an diese Gedanken verleiht ihnen Macht – ohne sie ist jeder Gedanke ohne jede Bedeutung. Die wahre Macht liegt also in uns selbst, wenn wir sie bewusst gebrauchen. Unbewusst wird unsere Aufmerksamkeit von unseren Gedanken angezogen und wir gehen so sehr in ihnen auf, dass wir zwischen ihnen und uns selbst nicht unterscheiden können. Wir identifizieren uns mit ihnen.
Wir entwickeln die Vorstellung einer Person und glauben, diese Person zu sein. Doch sie ist nichts als eine Vielzahl von Gedanken, die durch unseren Glauben an sie eine Illusion unseres scheinbaren Selbst bilden: unser Ego.
Dieses Ego ist so mit unserem Selbst verstrickt, dass es uns sogar dann schwer fällt, zwischen uns selbst und unseren Gedanken zu unterscheiden, wenn wir viel Erfahrung im Beobachten haben und glauben, uns schon von ihnen gelöst zu haben. Denn solange wir uns noch mit Gedanken identifizieren, ist auch unser scheinbar von unseren Gedanken gelöstes Selbst nur eine Vorstellung, das durch unsere Gedanken gebildet wird! Solange dies der Fall ist, können wir jederzeit wieder in den Strudel unserer Gedanken gerissen werden, je nachdem wie stark die Identifikation noch ist, auch ohne dies zu merken! Ein Ego versucht vor allem ein Bild von sich selbst aufrecht zu erhalten, an das es seine Existenz knüpft. Dabei kann es nach außen durchaus sehr uneigennützig auftreten und nicht ego-istisch oder ego-zentrisch. Doch auch scheinbar uneigennütziges Verhalten kann dazu dienen, das Selbst-Bild, das Ego anwachsen zu lassen oder zumindest zu erhalten.
Wieso ist dies so schwer zu durchschauen?
Wir können uns unsere Gedanken, unser Gedanken-Bild von uns selbst, unser Ego, vorstellen wie ein eigenes Wesen, das mit uns symbiotisch verbunden ist. Es braucht unser Bewusstsein um zu existieren, wir brauchen es, um unsere Bedürfnisse zu erfüllen und schöpferisch und gestalterisch zu wirken. Unser Ego ist unser Bewusstsein, das sich mit seinen Gedanken identifiziert. Je mehr unser Bewusstsein mit unseren Gedanken identifiziert ist, desto größer wird das daraus entstehende Ego. Am meisten Macht hat es, wenn es unser Bewusstsein mit pausenlosen Gedankenströmen ausfüllt und die Aufmerksamkeit und den Glauben unseres Bewusstseins so an sich gebunden hat, dass dieses sich nicht mehr getrennt davon erfahren kann.
Sobald unser Bewusstsein sich für seine Gedanken hält, entsteht die Angst vor sich selbst, dem reinen Bewusstsein, das unsere Gedanken als Nichts, als Leere bezeichnen: weil sie in ihm ihre Macht verlieren oder sogar aufhören zu existieren, wenn unser Bewusstsein sich – frei von Gedanken – als sich selbst erfährt. Wenn wir bewusst oder unbewusst glauben, wir wären unsere Gedanken, dann ist es für uns existentiell bedrohlich, wenn wir NICHT mehr denken oder nicht mehr mit all den Gedanken identifizieren, die als „Person” unsere Existenz selbst zu sein scheint.
Wie ein zweidimensionales Strichmännchen sich nicht vorstellen kann, was ein dreidimensionales Wesen ist, sind unsere Gedanken nicht in der Lage sich vorzustellen, wie wir gedankenfrei, frei von der Vorstellung unseres Selbst als „Person” existieren können. Je tiefer unsere Identifikation mit unseren Gedanken, je größer unser Unbewusstheit, desto mehr nehmen wir das Beobachten unserer inneren Vorgänge, Stille und Leere als unangenehm wahr, als langweilig, sinnlos, zu vermeiden, als bedrohlich. Genau genommen tauchen entsprechende Gedanken und damit verbundene Gefühle auf, an die wir glauben. Und doch kann sich unser Ego, unsere Gedanken, selbst mit der Leere, dem Nichts und unserem reinen Bewusstsein anfreunden, wenn wir diesen Zustand nur vorübergehend einnehmen. So lässt es uns beispielsweise jahrelang eifrig meditieren, so lange wir die grundlegende Identifikation selbst nicht aufgeben und verstärkt damit unter Umständen noch unsere Täuschung.
Als Ego haben wir unsere Existenz und Lebendigkeit, unsere wichtigsten Lebens-Bedürfnisse wie Sicherheit und Selbst-Wert, an Gedanken-Gebilde geknüpft. Wenn diese Gedanken-Gebilde bedroht werden, verteidigt sich unser Ego mit aller Macht und Raffinesse. Es geht um seine Existenz, und es ist sein höchstes Ziel diese zu erhalten! Es bekämpft alles, was es als Bedrohung erlebt. Deshalb kann es unglaublich schwierig sein, uns zu erreichen und dazu zu bringen, dieses Grundproblem zu erkennen, anzunehmen und anzupacken. Unser Ego wird alles versuchen uns davon zu überzeugen, dass andere Probleme, die es nicht selbst betreffen, wichtiger sind oder uns sogar vormachen, sich aufzulösen, etwa indem wir ein besonders spirituelles und selbstloses Selbstbild entwickeln. Unser Ego ist mit allen Wassern gewaschen und ist äußerst talentiert darin, sich zu tarnen und uns zu täuschen! Wir können ein Leben lang meditieren oder uns ganz einem Gott oder einer scheinbar „selbstlosen” Tätigkeit hingeben und doch immer noch an unser Ego gefesselt sein!
Und es wird uns nicht gelingen, uns zu befreien, solange wir nicht eine Voraussetzung erfüllen: wir müssen einen Weg finden unser Bedürfnis nach Sicherheit zu erfüllen, der nicht an unsere Gedanken geknüpft ist! Solange wir uns als Person erfahren, ist dies noch der Fall! Wir können unsere Gedanken nicht loslassen oder ersetzen sie bewusst oder unbewusst mit dem nächsten Gedanken-Gebilde, an das wir glauben!
Diese Sicherheit können wir finden, indem wir beginnen, unsere Gedanken zu beobachten und dadurch die Erfahrung machen, dass wir nicht mit ihnen identisch sind. Für Momente können wir erleben, dass wir nicht denken und uns dabei sicher, lebendig, voller Frieden und erfüllt fühlen. Außerdem merken wir im bewusster werdenden Kontakt mit unseren Gedanken, dass diese uns oft täuschen und wir uns in ihnen irren. Sie sind nicht beständig, sondern verwandeln sich. Und es verwandelt sich die Welt, in der wir leben. Unsere Gefühle verwandeln sich, unsere Erfahrungen, alles was wir wahrnehmen oder wie wir es wahrnehmen verändert sich und hat keinen Bestand. Alles entsteht und vergeht. Es gibt keine Sicherheit in dem, was sich verändert, die Bestand hat.
Im Erforschen dessen, worauf wir uns wirklich verlassen können, wovon wir mit Sicherheit sagen können, dass wir uns darin nicht täuschen und dass es wirklich existiert, fällt alles weg, was wir wahrnehmen können. Es bleibt unser reines Bewusstsein selbst, das all dies wahrnimmt und selbst nicht wahrnehmbar ist. Nichts von dem, was entsteht und wieder vergeht könnte von uns auch nur wahrgenommen werden ohne unser Bewusstsein selbst. Und es ist das Einzige, das sich nicht verändert. Die größte Sicherheit, die wir je erlangen können ist unser Bewusstsein – wir selbst.
Unsere Gedanken mögen uns erklären, wie schwierig und langwierig es sei, diesen Zustand zu erreichen – und auch dies ist eine geschickte Täuschung. In Wirklichkeit ist unser reines Bewusstsein ja schon da – und war es immer. Wenn wir diese Gedanken als das erkennen was sie sind, wenn wir sie und damit alles loslassen, was anstrengend ist, wenn wir alles Bemühen aufgeben, bleibt, was mühelos ist und einfach: unser reines Bewusstsein.
Dies zu wissen alleine reicht nicht aus, denn Wissen findet in unseren Gedanken statt. Wir erliegen dann unserem Ego, das uns weiter etwas vorspielt. Erst die eigene Erfahrung, die Erfahrung unseres Bewusstseins sich unabhängig von Gedanken frei, gegenwärtig und lebendig zu erleben, erfüllt von Frieden, Vertrauen und Liebe, ist stark genug, um auch über länger werdende Zeiträume immer wacher und bewusster zu werden und uns schließlich gänzlich von unserem Ego zu befreien und dauerhaft zu erwachen!